Nature Communications: Klimafolgen der Lebensmittelproduktion
Augsburger Wissenschaftler stellen starke Preisverzerrungen bei tierischen Lebensmitteln fest – und zeigen Handlungsoptionen auf
Augsburg/MR– Die aus der Produktion von Lebensmitteln stammenden Umweltsch?den schlagen sich derzeit nicht im Preis nieder. Werden die Folgekosten der emittierten Klimagase ermittelt und auf die aktuellen Lebensmittelpreise aufgerechnet, müssten tierische Erzeugnisse wie Milch, K?se und insbesondere Fleisch weit teurer werden. Auch würde der Preisunterschied zwischen konventionellen und biologisch hergestellten Produkten kleiner werden. Diese Ergebnisse ver?ffentlichte ein vom Augsburger ?konomen Dr. Tobias Gaugler geleitetes Forscherteam im renommierten Fachjournal Nature Communications.? Mit einem globalen Emissionsanteil von 24% ?ist die Landwirtschaft eine der Hauptquellen der vom Menschen verursachten Treibhausgase. Bereits diese Zahl macht deutlich, wie gro? der Anpassungsbedarf, aber auch das Potenzial des prim?ren Sektors zur Erreichung des Klimaziels des ?Paris Agreement‘ ist, die Erderw?rmung auf einem Niveau von deutlich unter 2 °C zu halten. Auch der ?European Green Deal‘, der vorsieht, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen der Europ?ischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren, l?sst sich nur unter Einbeziehung der Landwirtschaft verwirklichen. Eine neu erschienene Studie Augsburger Wissenschaftler ?zeichnet nun ein differenziertes Bild landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen. Für unterschiedliche Anbau- bzw. Haltungsformen ermittelt sie, an welchen Stellen der Lebensmittelproduktion welche Emissionen auftreten und ordnet diese unterschiedlichen Lebensmitteln verursachergerecht zu. Neben Kohlenstoffdioxid- beziehen die Autoren auch Lachgas- und Methanemissionen sowie die klimatischen Auswirkungen der Landnutzungs?nderung in ihre Berechnungen ein. Aus der Landnutzungs?nderung (engl. land use change) resultierende Klimafolgen ergeben sich prim?r aus der Trockenlegung von Mooren sowie der Abholzung von Regenwaldfl?chen, die dann zur Produktion von Tierfutter genutzt werden. Um das Ausma? dieser Klimasch?den zu verdeutlichen, erfolgt neben der Ermittlung der Emissionsmengen auch deren Monetarisierung, also eine Umrechnung in lebensmittelspezifische Folgekosten. In einem letzten Schritt setzen die Autoren diese Folgekosten in Bezug zu den aktuell am Markt beobachtbaren Lebensmittelpreisen. Sie weisen in ihrer Publikation nach, dass insbesondere konventionell hergestellte Lebensmittel tierischen Ursprungs deutlich teurer werden müssten, wenn die aus der Produktion resultierenden Klimafolgen verursachergerecht auf dem Preis aufgeschlagen werden würden. Eigentlich müssten Milchprodukte um 91% teurer sein, als dies heute der Fall ist. Fleischprodukte müssten –Klimakosten inklusive – sogar um 146% teurer werden. Beim Vergleich der Anbauformen zeigt sich, dass die Emissionsmengen der biologischen Landwirtschaft ertragsbereinigt leicht unter der konventionellen Produktionsweise liegen. Aufgrund des h?heren Preisniveaus von Biolebensmitteln resultieren hieraus jedoch geringere Preisaufschl?ge von 40% für Biomilchprodukte und 71% für Bio-Fleisch. Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs sind mit einem relativ geringen ?Klimarucksack“ assoziiert, der sich in beiden Anbauformen im einstelligen Cent-Bereich bewegt. ?Uns selbst überrascht hat der gro?e Unterschied zwischen den untersuchten Lebensmittelgruppen und die daraus resultierende Fehlbepreisung insbesondere tierischer Lebensmittel“, berichtet TobiasGaugler über die Ergebnisse. ?Würden diese Marktfehler nicht mehr bestehen oder zumindest verringert, h?tte dies gro?e Auswirkungen auch auf die Nachfrage nach Lebensmitteln. Ein Lebensmittel, das deutlich teurer wird, wird auch deutlich weniger nachgefragt“, erg?nzt Co-Autorin Amelie Michalke. Die aktuelle Studie bezieht sich prim?r auf Klimafolgen, die aus der Produktion und dem Konsum von Lebensmitteln resultieren. In weiteren Schritten wollen die AutorInnen nun weitere landwirtschaftliche Umweltfolgen untersuchen, die u.a. aus der Emission von reaktiven Stickstoffverbindungen oder dem Energiebedarf des Agrarsektors stammen. ?Hierbei sehen wir unsere Aufgabe als WissenschaftlerInnen prim?r darin, Daten und Informationen über die Klimawirkung von Lebensmitteln zur Verfügung zu stellen. Auf dieser Basis k?nnen und – wenn ich es mit einem gewissen Normativit?tsanspruch der Nachhaltigkeitswissenschaften so sagen darf – sollten sowohl BürgerInnen als auch ordnungspolitische Akteure ihr Handeln ausrichten“, resümiert Gaugler. Das Autorenteam setzt sich aus den beiden Augsburger Wirtschaftsingenieuren Maximilian Pieper (studiert aktuell an der TU München) und Amelie Michalke (Gastwissenschaflerin an der Universit?t Augsburg sowie Doktorandin an der Universit?t Greifswald) sowie dem Wirtschaftswissenschaftler und Nachhaltigkeitsforscher Tobias Gaugler zusammen. Tobias Gaugler ist als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Materials Resource Management (MRM) der Mathematisch-Naturwissenschaftlich-Technischen Fakult?t der Universit?t Augsburg t?tig. Maximilian Pieper, Amelie Michalke und Tobias Gaugler: Calculation of external climate costs for food highlights inadequate pricing of animal products, Nat Commun 11 (2020),
E-Mail:
tobias.gaugler@mrm.uni-augsburgmrm.uni-augsburg.de ()
Deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Lebensmittelgruppen
Implikationen für KonsumentInnen und die Wirtschaftspolitik
Originalpublikation (Open Access):
DOI: 10.1038/s41467-020-19474-6 Link: https://www.nature.com/articles/s41467-020-19474-6
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