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Thomas Hausmanninger


Ursprünglich erschienen in: Theologie der Gegenwart 1998/1, 2-13

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Die Wiedervereinigung Deutschlands wird in den letzten Jahren aus ostdeutscher Perspektive oft nicht nur als Erringung von Freiheit, sondern auch als Eintritt in einen Raum sozialer K?lte und eines beziehungslosen Nebeneinanders beschrieben. Vermi?t werden Gemeinsinn und sozialer Zusammenhalt, oder anders gesagt: Solidarit?t und solidarisches Bewu?tsein. Dieses Defizit gilt dabei als typisch für den Westen.1 Obwohl man nun diesen Vorwurf als spezifisches Element der deutsch-deutschen Problematik betrachten k?nnte, scheint er ein Empfinden auszudrücken, das auch andernorts nicht unbekannt ist: Seit den frühen 80er Jahren gibt es in den USA unter dem Titel "Kommunitarismusdebatte" eine intensive Diskussion über das Schicksal des Gemeinsinns, eines Bewu?tseins der Gemeinschaftsverpflichtung in der Moderne.2 Obwohl der Begriff Solidarit?t kaum benutzt wird, geht es darin letztlich auch um diese, bzw. genauer: um die Frage, ob und wie moderne demokratische Gesellschaften zugleich solidarische Gemeinschaften sein k?nnen. Ich will im folgenden daher zun?chst einige Elemente dieser Debatte nachzeichnen, um dann in kritischer Auseinandersetzung damit aus der Perspektive der christlichen Sozialethik der Frage nachzugehen, wie für die demokratische Gesellschaft Solidarit?t m?glich ist.

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1. Die Kommunitarismusdebatte und das Problem gesellschaftlicher Solidarit?t

Die Kommunitarismusdebatte hat sich an einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls entzündet.3 Rawls vertritt einen vernunft- und prinzipienethischen Ansatz, der moralisches Handeln als vernunftbegründetes Handeln freier autonomer Subjekte versteht. Mit dem autonomen Subjekt ist gemeint, da? der Mensch Vernunft- und Freiheitswesen ist, das über eine unverbrüchliche Würde verfügt und die F?higkeit zum moralischen Selbstvollzug in sich tr?gt. Eine Vernunft- und Prinzipienethik versucht dann die allgemeinen Prinzipien und Grunds?tze der Logik der Praxis solcher Subjekte herauszuarbeiten. Wie die Grammatik einer Sprache sind diese Prinzipien und Grunds?tze relativ formal, w?hrend konkrete, einzelne Moralvorstellungen erst in konkreten Situationen von den Subjekten selbst hervorgebracht werden. Ein solcher Ethikansatz gilt den Kommunitariern geradezu als typisch für die moderne Gesellschaft, die zusammen mit ihm kritisiert wird. Die Kommunitarismusdebatte sieht also einen Zusammenhang zwischen Ethikverst?ndnis und Gesellschaftsentwicklung in der Moderne und ist so auch eine Diskussion über die richtige Ethik.4

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Rawls fr?gt nun nach den ethisch-politischen Grunds?tzen einer Gesellschaftsorganisation, die sich am Subjektcharakter des Menschen orientiert. Er knüpft an Gedanken von Immanuel Kant, aber auch der Staatstheorien von Thomas Hobbes und John Locke an und erarbeitet zwei Gerechtigkeitsgrunds?tze. Die Begründungsfigur argumentiert damit, da? es sich hierbei um Grundregeln handelt, auf die sich Individuen verst?ndigen würden, die einerseits m?glichst ungehindert ihre Interessen verfolgen wollen und andererseits unparteilich den Rahmen für ihr künftiges Zusammenleben abstecken müssen. Der erste Grundsatz bestimmt, da? die Gesellschaftsordnung jedem Individuum Freiheitsrechte zuzumessen hat. Die Grenze der Freiheit soll erst dort gesetzt werden, wo die Freiheitsausübung des einen dieselbe Freiheitsausübung des anderen verhindert.5 Da aus dem Freiheitsgebrauch jedoch auch Ungleichheit entsteht und zudem de facto Menschen nie die gleichen Ausgangschancen - Fertigkeiten, Begabungen, Talente etc. - haben, erscheint ein zweiter, von Rawls als Differenzprinzip bezeichneter Grundsatz n?tig. Dieser bestimmt vor allem, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten so zu gestalten, da? sie immer noch zum Vorteil jedes einzelnen, also auch des weniger gut Gestellten, dienen.6 Im gro?en und ganzen ist es ein Prinzip, das soziale Anspruchsrechte begründet. Aus ihm l??t sich beispielsweise die Forderung ableiten, ein soziales Netz einzurichten, das die St?rkeren für die Absicherung der Schw?cheren durch Umleitung von Profit in Dienst nimmt.

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Drei Elemente des Rawls?schen Entwurfs sehen die Kommunitarier als typische Momente der Moderne und modernen Gesellschaften: Zum einen das in der Begründungsargumentation verwendete Bild vom Individuum, das prim?r auf sich selbst und Verwirklichung seiner Interessen gerichtet ist. Michael Sandel nennt es das "ungebundene Selbst".7 Obwohl es Rawls nur als heuristische Fiktion einführt, die prim?r eine argumentationslogische Funktion hat,8 betrachten es die Kommunitarier geradezu als Leitbild, das das Selbstverst?ndnis des modernen Menschen pr?gt. Zu diesem Bild scheint die Vorstellung zu geh?ren, sich nur sich selbst zu verdanken, also nicht nur autonom, sondern im Kern autark zu sein, und sich voraussetzungslos entwerfen zu k?nnen. Zum zweiten sehen sie damit ein Freiheitskonzept verbunden, das Freiheit vorrangig als Abwesenheit von Hindernissen fa?t. Charles Taylor spricht von "negativer Freiheit".9 Diese hat in der Tat Tradition, wie er an Hobbes, Isiah Berlin und Jean-Paul Sartre zeigt.10 Ihr Kennzeichen ist, da? sie leer ist und selbst über ihre positive Verwirklichung nichts aussagt, sondern diese inhaltlich ganz dem ungebundenen Selbst überl??t. Dem entspricht als drittes die Konzentration auf die Er?ffnung von Freiheit bei der Gesellschaftsorganisation. Auch die sozialen Anspruchsrechte zielen (zumindest unter anderem) darauf - sie sollen dafür sorgen, da? selbst bei ungünstigen Umst?nden ein gewisses Ma? an Selbstrealisierung und Handlungsfreiheit für die autonomen Individuen noch m?glich bleibt. Da die Freiheit jedoch leer ist, blo?er Entfaltungsraum sein soll, mu? der gesellschaftliche Rahmen in Verfassung und Gesetzgebung - gewisserma?en in Entsprechung zur Formalit?t einer Vernunft- und Prinzipienethik - m?glichst formal gehalten werden. Dies geschieht dadurch, da? die Grunds?tze und ihre Konkretisierungen im Recht sich auf die Einrichtung gerechter Verfahrensformen auf der Ebene der Systemorganisation der Gesellschaft beschr?nken - wie etwa eben das Verfahren der Umverteilung von Profit aus dem Wirtschaftssystem in das System der sozialen Sicherung. Angezielt ist damit eine Trennung des Guten und Gerechten: Die Organisation der Gesellschaft soll für ein gerechtes Funktionieren der gesellschaftlichen Handlungssysteme sorgen, w?hrend die Erfindung des Guten, konkreter Lebensziele und Zwecke, den Individuen überlassen bleibt. Gerechtigkeit besteht darin, da? alle die Chance erhalten und behalten, ihre Vorstellung von einem guten Leben zu entwickeln und zu realisieren. Sandel nennt eine so verfa?te Gesellschaft eine "verfahrensrechtliche Republik" und betrachtet die USA als Musterbeispiel dafür.11 In Deutschland bedingt nicht zuletzt die Fernwirkung, die Locke und Kant für die Verfassungsgeschichte gehabt haben, eine ?hnliche Gesellschaftsorganisation.

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Aus einer kommunitaristischen Perspektive betrachtet behindert dies jedoch, da? sich ein Ethos der Solidarit?t und damit zugleich eine wirklich solidarische Gesellschaft entwickeln kann: Die Vorstellung vom selbstm?chtigen Individuum scheint in eine tats?chliche Individualisierung und Selbstzentrierung zu münden. Andere Menschen drohen dabei entweder nur als Grenze der eigenen Freiheit wahrgenommen zu werden, oder aber als Bezugspunkte für einen Respekt, der den anderen in Ruhe l??t, anstatt ihm beizustehen.12 Das Ganze der Gesellschaft tritt in dieser Sichtweise lediglich als Referenzort für eigene Ansprüche auf, nicht aber als etwas, für dessen Erhalt man sich engagieren mu? oder dem man etwas schuldet. Weder Solidarit?t im Nahbereich, noch in bezug auf die Gesamtgesellschaft scheint sich entwickeln zu k?nnen. Dazu scheinen au?erdem die weitgehend formale Organisation der Gesellschaft und ihre ebenso formalen Grunds?tze beizutragen. Diese Formalit?t gilt als Hindernis für die Identifikation mit der Gesamtgesellschaft und ein entsprechendes solidarisches Engagement. Das Ganze ist zu wenig anschaulich, zu wenig als aus Personen zusammengefügte Einheit erfahrbar und nicht im Ideal eines gemeinsamen Guten fa?bar. Alasdair MacIntyre meint deshalb: Für eine verfahrensrechtliche Republik wird im Notfall kaum jemand in den Krieg ziehen.13 Darüber hinaus kann die systemische Organisation von Solidarit?t, wie sie die sozialen Sicherungssysteme darstellen, auch dazu führen, da? die Individuen keine Notwendigkeit mehr sehen, ein solidarisches Ethos zu entwickeln oder sich sozial zu engagieren. Das eigene solidarische Engagement scheint gewisserma?en durch das System ersetzt. Diesem aber treten die Individuen dann m?glicherweise wieder nur mit Ansprüchen gegenüber, Ansprüchen, die das System überfordern k?nnen. So betrachtet gef?hrdet die systemische Solidarit?t sich selbst.

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Die kommunitaristischen Konzepte enthalten jedoch nicht nur diese kritische Perspektive, sondern ebenso Ans?tze zu einer L?sung der diagnostizierten Probleme. Mit Rainer Forst und Seyla Benhabib lassen sich zwei Zug?nge idealtypisch unterscheiden, die teilweise allerdings auch miteinander verbunden auftreten:14< So gibt es ein "substantialistisches" Modell einer gemeinsamen moralischen Identit?t. Es ist zugleich ein Versuch, moderne vernunft- und prinzienethische Ans?tze durch einen - wie ich ihn nennen würde - hermeneutischen Aristotelismus zu ersetzen. Eben darum bemühen sich MacIntyre und Taylor. Daneben steht ein "partizipatorisches" Modell der solidarischen Verantwortungsübernahme durch Mitwirkung am politischen Proze?. Es findet sich teilweise auch bei Taylor, vor allem aber bei Robert Bellah und Benjamin Barber.15 Der Substantialismus nun setzt gegen das ungebundene Selbst eine "soziale Konzeption des Menschen", das "situierte Selbst".16 Diese Situiertheit ergibt sich durch die Herkunft jedes konkreten Individuums aus einer Familie sowie durch die Sozialisation in einer konkreten Gesellschaft mit einer konkreten Geschichte. In diesem Zugang zeigt sich das hermeneutische Moment: Wie bei dem deutschen Hermeneutiker Hans-Georg Gadamer erscheint jedes Individuum immer schon in einen Traditionszusammenhang eingebettet und sich nur aus diesem verstehen zu k?nnen.17 Deutlicher als MacIntyre spricht Taylor diesem Individuum durchaus die F?higkeit zur Reflexion und zum bewu?ten Rückbezug auf diese Tradition zu.18 Das situierte Selbst ist nicht blo? Ensemble der gesellschaftlichen oder geschichtlichen Verh?ltnisse, sondern ein personales Wesen, das sich mit Hilfe der sprachlichen, moralischen, ?sthetischen und theoretischen "?berlieferung" interpretiert. Dies erlaubt es ihm, konkrete Wünsche, Ziele und Zwecke zu entwickeln sowie deren "Wahrheit" wiederum kritisch an den gemeinschaftlichen Wertungen zu prüfen. In diesem Proze? gewinnt das Individuum seine Identit?t - auch und gerade seine moralische Identit?t - und entwickelt sie weiter. Taylor geht dabei soweit, zu sagen, da? das Individuum in diesem gemeinschaftlich-traditional-moralischen Zusammenhang überhaupt erst moralisches Subjekt wird und sein kann.19 Hierin liegt der Anklang an Aristoteles. MacIntyre sch?rft diese Sichtweise noch zu: Für ihn ist die Moralit?t des Subjekts so sehr mit einer gemeinschaftlichen Tradition verbunden, da? es keine Vermittlung mit einer anderen Tradition gibt. Trifft jemand auf eine andere Tradition, so bleibt ihm diese deshalb entweder fremd und unverst?ndlich, oder er "konvertiert" zu dieser.20 Eine Metaebene mit allgemein geteilten moralischen Prinzipien, die einen Diskurs unterschiedlicher gemeinschaftlicher Moralvorstellungen m?glich machen würden, gibt es für MacIntyre nicht.21

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Die substantialistische Position scheint nun den diagnostizierten Problemen wehren zu k?nnen, indem sie das Faktum bewu?t macht, da? konkrete Individualit?t und moralische Subjekthaftigkeit Sozialit?t voraussetzen. Das moderne Individuum soll wieder entdecken, da? es sich gerade nicht sich selbst verdankt, sondern einem gesellschaftlichen Lebens- und Traditionszusammenhang, der zugleich ein moralischer Zusammenhang und über gemeinsame Wertüberzeugungen solidarisch vermittelt ist. Diese Entdeckung würde ihm dann solidarisches Bewu?tsein und Engagement erm?glichen. Nun kann deutlich gemacht werden, da? das Ganze auch Ansprüche an den einzelnen hat. Die negative Freiheit wird hierbei zu einer positiven, mit Hegel gesprochen: konkreten Freiheit, die der Selbstverwirklichung nicht nur Material gibt, sondern auch eine konkrete Richtung weist und sie in den Rahmen konkreter Verpflichtungen stellt. Für den solidarischen Gemeinsinn, der aus diesem reflexiven Bewu?tsein der Zugeh?rigkeit zu einer konkreten Gesellschaft, ihrer Geschichte und Wertüberzeugung erwachsen soll, w?hlen Taylor und MacIntyre einen Begriff, der in deutschen Ohren problematisch klingt: Patriotismus.22

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Das partizipative Modell hingegen sucht Gemeinschaftsorientierung und Solidarit?t durch gesellschaftliche Mitwirkung zu erreichen. Alle sollen an der Gestaltung des Gemeinwesens teilhaben und zur Mitarbeit aufgefordert werden. Dabei lassen sich dann auch Konsense moralischer Art erarbeiten. In Unterschied zum substantialistischen Modell ist das partizipative also im Bereich der gemeinsamen moralischen ?berzeugungen offener. Verwirklicht werden soll die Partizipation auf dem Weg einer Regionalisierung und Dezentralisierung der Bew?ltigung gesellschaftlicher Aufgaben. M?glichst viele der das Gemeinwesen betreffenden Fragen sollen vor Ort behandelt, entschieden und gel?st werden.23 Insbesondere Barber, der dem eher linken Spektrum der Kommunitarier angeh?rt, spricht sich hierbei für eine basisdemokratische Bürgerbeteiligung aus.24 Durch Teilnahme an der Verantwortung für das Ganze lie?e sich demnach gesellschaftliche Solidarit?t f?rdern und realisieren.

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2. ?berlegungen aus der Perspektive christlicher Sozialethik

Ich will meine ?berlegungen aus der Perspektive der christlichen Sozialethik zun?chst im Kontrast zum Kommunitarismus mit einer begründeten Option für eine Vernunft- und Prinzipienethik ansetzen. Darüber hinaus bedarf die weitere Argumentation einer Bestimmung des Verh?ltnisses von Moral und Recht. Diese wird in der Kommunitarismusdebatte zwar thematisiert, jedoch teilweise sehr diffus und mit für deutsche Gebr?uchlichkeit ungew?hnlichen Begriffsverwendungen, so da? ich mich hier auf eine eigene Grundsatzoption beschr?nke.

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Nicht zuletzt an den Aussagen MacIntyres zur Konversion zwischen Moralauffassungen wird deutlich, welche Probleme sich eine restlos kontextualisierte, auf Hermeneutik des Gegebenen beschr?nkte Ethik einhandelt, also eine Ethik, die auf vernunftgeleitete Prinzipienreflexion und allgemeine formale Grunds?tze verzichten will. Es gibt n?mlich dann kaum noch eine Basis für ein verst?ndigungsorientiertes Gespr?ch zwischen moralischen Gemeinschaften. Ebenso gibt es kaum eine plausible M?glichkeit interner Kritik.25 Durch das erste Moment gef?hrdet der Kommunitarismus zudem angesichts der faktischen internen Pluralit?t moderner Gesellschaften gegen seine eigene Absicht deren solidarischen Zusammenhalt. MacIntyre und Taylor sind sich dieses Problems bewu?t. MacIntyre sucht es dadurch zu l?sen, da? er ein von der konkreten Gemeinschaft zu unterscheidendes, geschichtlich gewachsenes "Projekt" dieser Gemeinschaft einführt.26 Auf dieses "Projekt" k?nnte sich ein Kritiker berufen. Es k?nnte auch eine Basis für den solidarischen Zusammenhalt der Gesellschaft über abweichende Auffassungen hinweg bilden. Taylor führt relativ abstrakte "übergreifende Güter" ein, die eine zweite ethische Ebene bilden, von der wiederum konkrete Moralvorstellungen abh?ngen.27 Mit bezug auf diese Ebene scheinen dann solidarit?tsvermittelnder Diskurs oder auch Kritik m?glich.

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Betrachtet man diese Anstrengungen, so fragt sich jedoch vor allem im zweiten Fall, was den Schritt zu einer Vernunft- und Prinzipienethik noch hindert, wie sie etwa Kant vorgelegt hat. Man k?nnte ja diese zweite ethische Ebene mit einer Rekonstruktion der allgemeinsten moralischen Prinzipien und Grunds?tze ausbauen, die jede moralische Argumentation und jede moralische Praxis immer schon berücksichtigen mu?. Damit begibt man sich nicht unbedingt schon in eine prek?re Nachbarschaft. Der Vorwurf des "ungebundenen Selbst" jedenfalls verfehlt Kant, wie er auch schon Rawls verfehlt hat. Kant führt mit dem Kategorischen Imperativ die Bestimmung ein, da? konkrete Moralvorstellungen universalisierbar - verallgemeinerbar - sein müssen, und da? sie die Selbstzwecklichkeit, die Würde des Menschen zu berücksichtigen haben. Bei Rawls wiederum bildet nicht allein die Fiktion des Individuums, das seine Interessen verfolgen will, sondern dessen Einbettung in eine Situation der Unparteilichkeit den Angelpunkt. Im Kern geht es auch hier um Universalisierbarkeit und Menschenwürde. Beide rekonstruieren damit den moral point of view, den moralischen Standpunkt bzw. die Gestalt von Moralit?t schlechthin. Dieser Standpunkt zeichnet sich gerade dadurch aus, da? die anderen Menschen im moralischen Kalkül eine Rolle spielen - und zwar nicht nur als Freiheitsgrenze, sondern als Tr?ger von Würde und Menschenrechten. Die menschenrechtliche Tradition aber lie?e sich wohl ohne Streit mit den Kommunitariern als "Projekt" der abendl?ndisch-westlichen Demokratien betrachten.

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Die Forderung der Solidarit?t geht letztlich notwendig damit einher. Für Kant schlie?t Moralit?t zudem die Forderung ein, ein "ethisches Gemeinwesen" zu gründen, eine Gemeinschaft, die substantielle Sittlichkeit entwickelt und vermittelt.28 Kant wei? sehr wohl um das faktische, mit seinem Wort: "empirische" Erfordernis eines moralischen Kontexts und moralischer Sozialisation. Worum es ihm geht, ist lediglich, die allgemeine Basis aller ethischen Gemeinwesen herauszuarbeiten, das "moralische Gesetz", dem alle konkreten Moralvorstellungen gehorchen müssen. Dieses Gesetz erm?glicht dann zudem Verst?ndigung in moralischen Fragen und ebenso Kritik. Es lie?e sich sogar zeigen, da? die Struktur der Moralit?t, wie sie Kant im Kategorischen Imperativ fa?t, überall dort entdecken und einsichtig machen l??t, wo Vernunft leitend für die Entwicklung von Moralvorstellungen wird. Darauf weist empirisch etwa die Verbreitung der Goldenen Regel in beinahe allen Kulturen hin, die in rudiment?rer Form den Universalisierungsgrundsatz und die Forderung der Gleichachtung der Handlungspartner enth?lt. Die These MacIntyres, es gebe keine moralischen Prinzipien, sondern nur konkrete Moralvorstellungen und Konversionen, erscheint deshalb wenig plausibel.

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Aus diesen Gründen m?chte ich mit einer Option für eine Vernunft- und Prinzipienethik ansetzen, wie sie bei Kant, aber auch bei Rawls oder den Diskursethikern formuliert ist. Diese genannten Entwürfe konvergieren miteinander und enthalten letztlich alle den Gedanken des autonomen Subjekts und der Menschenwürde. Beides scheinen mir unverzichtbare Errungenschaften der Moderne zu sein, die entsprechend auch sozialethisch einzul?sen sind. Darüber hinaus scheint mir die christliche Sozialethik in ihrem Selbstverst?ndnis zun?chst einmal besser an eine solche Vernunft- und Prinzipienethik anschlie?en zu k?nnen, als an ein kommunitaristisches Konzept. Sie n?mlich fu?t gleichfalls auf einem Verst?ndnis des Menschen als Vernunft- und Freiheitswesen, dem eine unverbrüchliche Würde zukommt und das über eine eigenst?ndige moralische Potenz verfügt. Dies akzentuiert sich sch?pfungstheologisch im imago-Dei-Gedanken. Thomas von Aquin nennt den Menschen von diesem Gedanken her ein Wesen, das für sich und andere Vorsehung auszuüben - also kreativ Verantwortung zu übernehmen - vermag.29Hierzu erscheint der Mensch bei Thomas durch seine ihm von Gott gegebene praktische Vernunft hinreichend ausgestattet und deshalb zur Autonomie bef?higt wie berechtigt.30 Zusammen mit der Gleichheit vor Gott begründet dies au?erdem die menschliche Würde, die christlich betrachtet dem Menschen als solchem, nicht erst aufgrund einer Leistung oder der Zugeh?rigkeit zu einer Gemeinschaft zukommt. Ihr Menschenverst?ndnis akzentuiert die christliche Sozialethik im Begriff der Person. Es dürfte deutlich sein, da? dieses Personverst?ndnis gut mit dem kantischen Verst?ndnis des autonomen Subjekts, wie auch mit dem menschenrechtlichen Ansatz der modernen demokratischen Verfassungen zusammengeht. Durch Rückgriff auf Kant oder eine daran orientierte vernunftethische Argumentation kann sie daher ihre normativen ?berlegungen au?erdem über den christlichen Kontext hinaus einsichtig machen.31

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Darüber hinaus empfiehlt es sich aus ethischen Gründen, zwischen Moral und Recht zu differenzieren. Moralisch ist ein Handeln, das dem moralischen Gesetz gehorcht und zugleich frei gewollt wird. Es mu? aus ?berzeugung heraus geschehen und l??t sich entsprechend nicht erzwingen. Erzwingen l??t sich lediglich ?u?eres Wohlverhalten - und nur dies kann das Recht leisten. Mit Kant kann man rechtsgehorsames Verhalten im Unterschied zur Moralit?t Legalit?t nennen. Diese reicht für ein gedeihliches Zusammenleben in einer Gesellschaft hin; wollte man zus?tzlich Moralit?t erzwingen, würde man sie gerade aufheben. Christlich akzentuiert sich dies im Gedanken der Unverfügbarkeit des Gewissens. Dies verweist zugleich auf die Notwendigkeit, einen Raum für moralische Entscheidung und moralischen Entwurf offenzuhalten, in dem das konkrete Gute jeweils erst gefunden wird. Das Rechtsprinzip bleibt jedoch vom Moralprinzip getragen bzw. auf dieses bezogen: Es ist eine ethische Forderung, da? das Recht einen Raum schaffen soll, in dem das moralische Subjekt sich als moralisches frei realisieren kann. In diesem Sinn mu? das Recht Minimalbedingungen des Miteinanders festlegen, die vom moralischen Subjekt aus betrachtet durchaus zugleich als moralische Forderungen erscheinen. Man kann nun meines Erachtens ohne schlichte Aufhebung der Moral in Recht durchaus so weit gehen, jene menschenrechtlichen Forderungen, wie sie in allgemeinen Freiheits- und sozialen Anspruchsrechten formulierbar sind, als Konkretionen eines solchen Rechtsprinzips aufzufassen. Damit geht man keinen streng kantischen Weg, bleibt jedoch ebenso vor der Gefahr einer tendenziell totalit?ren Identifizierung von Recht und Moral bewahrt, wie sie zumindest bei MacIntyre gegeben ist. Umgekehrt kann man gleichwohl auch den Moralit?tsbezug des Rechts und einer Gesellschaftsorganisation im Blick behalten, die dann versucht, durch verfahrensrechtliche Vorschriften allgemeine Freiheits- und soziale Anspruchsrechte einl?sbar zu machen.

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Von hier aus l??t sich nun ein Konzept für eine solidarische Gesellschaft aufzeigen. Soweit die moderne Demokratie die mit einem vernunft- und prinzipienethischen Ansatz begründbare menschenrechtliche Orientierung auf der Ebene der Verfassung in Gestalt solcher Rechte fixiert, bietet sie zugleich die Basis für die Entwicklung eines universalistischen, menschenrechtlichen Ethos.32 Juridisch kann diese Orientierung zwar von den Subjekten nur in Gestalt von Legalit?t eingefordert werden. Auf der Ebene der Handlungssysteme - wie etwa der Wirtschaft - ist sie lediglich in Verfahrensformen übersetzbar. Doch kann sie vom Subjekt her auch als moralische Forderung erfa?t und so wirkliches Ethos werden. Sie scheint mir dann nicht nur den Raum einer blo? negativen Freiheit zu umschreiben. Vielmehr ist sie geeignet, der Selbstverwirklichung eine Basis und Richtung zu geben - freilich nicht in der substantiellen Dichte, wie dies den Kommunitariern vorschwebt. Stattdessen erm?glicht dieser Ansatz jedoch mehr gesellschaftliche wie pers?nliche Entwurfsfreiheit. Und er bleibt vor einer nationalstaatlichen oder volkshaften Engführung bewahrt - Horizont des menschenrechtlichen Ethos ist letztlich die Solidarit?t mit der ganzen Menschheit.33 Dies entspricht einer Grundforderung christlicher Sozialethik, wie sie etwa in den Sozialenzykliken "Populorum progressio" oder "Sollicitudo rei socialis" mit Blick auf globale Gerechtigkeit formuliert ist. Trotzdem ist das menschenrechtliche Ethos auch Ergebnis einer Geschichte und geh?rt einem konkreten Kulturraum zu. Es kann deshalb ebenso Gegenstand einer kollektiven Identit?t, einer durch ein "Projekt" gestifteten Solidarit?t sein. Das freiheitlich-menschenrechtliche "Projekt" hat dabei mehr Kraft, als die kommunitaristische Diagnose wahrnimmt. Hierauf verweist nicht zuletzt das Engagement diverser Dritte-Welt-Gruppen, das immerhin so greifbare Solidarit?tsformen wie neu organisierte Handelsbeziehungen durch Dritte-Welt-L?den und Versandh?user hervorgebracht hat. Vor einigen Jahren haben in Deutschland auch etwa Lichterketten gegen Ausl?nderfeindlichkeit deutlich demonstriert, da? das menschenrechtlich fundierte Solidarit?tsempfinden noch keineswegs von der heuristischen Fiktion des nutzenmaximierenden Individuums ausgel?scht worden ist. Es ist freilich in seiner Reichweite ein anspruchsvolles Ethos. Im Sinn eines Verfassungspatriotismus k?nnte es jedoch auch als gesellschaftsspezifisches bewu?t gemacht und gef?rdert werden. Gleichzeitig bliebe ein solcher Verfassungspatriotismus von der Engstirnigkeit einer blo? patriotischen Moral unterscheidbar.

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Allerdings wird dies allein nicht hinreichen. Einige Punkte der kommunitaristischen Gesellschaftskritik treffen in der Tat Realit?t und weisen auf Solidarit?tsdefizite hin. Individualisierungsprozesse lassen sich auch hierzulande nicht leugnen; allein schon die steigende Zahl der Einpersonenhaushalte belegt dies. Im Zusammenhang mit der Krise der sozialen Sicherungssysteme ist letzthin h?ufig darauf hingewiesen worden, da? diese Prozesse ein gewisses Anspruchsdenken gef?rdert haben. Die Krankenversicherung beispielsweise scheint von einigen weniger als Absicherung gegen Risiken, sondern eher als Dienstleistungsunternehmen betrachtet zu werden, das etwa einen f?lligen selbstfinanzierten Urlaub durch eine Kur ersetzen soll. Die Entlastung von Versorgungsrisiken im Alter durch die Rentenversicherung ist im Rücken zugleich eine Entlastung Angeh?riger von Versorgungspflichten geworden. In ?bereinstimmung mit einer Untersuchung eines Soziologenteams um Bellah ist jedoch ebenso festzustellen, da? es immer noch und immer neu moralisches Engagement und die Bereitschaft gibt, sich für allgemeine Belange einzusetzen.34 Nicht zuletzt die ?kologische Bewegung zeigt dies - hier ist aus gemeinschaftlichem Engagement sogar wirksamer politischer Einflu? entstanden, mit nicht geringen Auswirkungen auf die politische Gesamtkultur. Ebenso gibt es eine Fülle ehrenamtlichen Engagements und selbstgew?hlter, kleiner Solidarformen. Hierauf hat daher letzthin auch das Gemeinsame Sozialwort der Kirchen hingewiesen, das zugleich eine F?rderung und St?rkung dieser Solidarformen fordert.35

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Dies aber scheint durchaus notwendig. Die moderne demokratische Gesellschaft bedarf zus?tzlich zu der eher abstrakten Identifikation mit dem menschenrechtlichen "Projekt" einer dichteren, konkreteren Solidarit?t mit dem Gemeinwesen. Diese l??t sich jedoch nicht verordnen, sondern mu? von den Subjekten selbst produziert werden. Dabei l??t sich zun?chst der kantische Gedanke des ethischen Gemeinwesens aufnehmen. Kant selbst nennt hier die Kirchen; heute wird man dies auf weltanschauliche Gemeinschaften ausdehnen k?nnen, auch Familien, Ordensgemeinschaften und ?hnliche Solidargruppen bilden kleine ethische Gemeinwesen. Hier sind die Orte, an denen die kommunitaristisch betonte Situierheit realisiert ist. In unmittelbarer, personaler N?he wie auch mit Bezug auf eine gruppenspezifische Tradition kann dort moralische Sozialisation stattfinden und reflexiv ausgebaut werden. Die Zugeh?rigkeit zu ihnen zeigt sich dem Subjekt zudem als sittliche, die auch in Gestalt einer gemeinsamen Sittlichkeit realisiert wird sowie Solidarit?t und Engagement für den Erhalt der Gemeinschaft einfordert. Damit sind diese Gemeinschaften auch Lernorte der Bewu?twerdung gemeinschaftlicher Verpflichtungen, also Lernorte für Solidarit?t. Sie k?nnen Selbstzentriertheit und Anspruchsdenken entgegenwirken. Dies ist freilich auch eine spezifische Aufgabe, deren sich diese Gemeinschaften bewu?t sein müssen. Ein solches Bewu?tsein w?re zu f?rdern. Weil sich die sittliche Vergesellschaftung nicht durch Eingliederung in ein sittliches Supersubjekt wie einer moralisch-rechtlichen Gemeinschaftsgesellschaft vollzieht, kann zugleich Autonomie nicht nur in Gestalt positiver, situierter Freiheit, sondern n?tigenfalls auch durch Rückgriff auf negative Freiheit realisiert werden: durch Abgrenzung, Austritt oder Gruppenwechsel. Damit bleibt die personale Entwurfsfreiheit, die freilich auch innergemeinschaftlich zu wahren ist, nochmals strukturell gesichert. Das gesellschaftliche Solidarbewu?tsein aber realisiert sich dann unterhalb der Ebene des gemeinsamen menschenrechtlichen "Projekts" in einer differenzierten und diversifizierten, das hei?t auch: freiheitlichen Form. Gleichzeitig kann dies einem Bewu?tsein gesamtgesellschaftlicher Solidarverpflichtungen zuarbeiten.

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Weiter k?nnen diese Gemeinschaften zur Verwirklichung gesamtgesellschaftlicher Solidaraufgaben beitragen. Nicht zuletzt die ?bernahme einer Reihe sozialer Aufgaben durch kirchliche Organisationen sowie das bereits genannte ehrenamtliche Engagement sind hier zu nennen. Im übrigen l??t sich jedoch auch der kommunitaristische Vorschlag einer Intensivierung partizipativer M?glichkeiten aufnehmen. Beteiligung an der Verantwortung für gesellschaftliche Aufgaben schafft und realisiert Solidarit?t. Sie kann dabei zugleich dazu dienen, den Blick für umfassendere Solidarverpflichtungen zu gewinnen. Ein Beispiel sei genannt: Als in der Stadt München 1997 ein Bürgerbegehren gegen den Bau von Wohnungen im Stadtteil Aubing mit u.a. dem Argument der Zerst?rung der dort gegebenen Wohnkultur (Einfamilienh?user und G?rten) gestartet wurde, war dies auch Folge mangelnder Partizipation. W?re frühzeitig die Notwendigkeit des Wohnungsbaus transparent gemacht und eine Form der Zusammenarbeit mit den Betroffenen gesucht worden, h?tte sich zwar m?glicherweise das Baukonzept etwas ver?ndert, doch h?tte es vermutlich keine gegen die Gesamtsolidarit?t versto?ende Partialsolidarisierung in Form des Bürgerbegehrens gegeben. Im Zusammenhang mit der Kernenergiediskussion der 80er Jahre ist ein Konzept für Bürgerbeteiligung bei anstehenden regional oder gesamtgesellschaftlich erforderlichen Entscheidungen entworfen worden, das Konzept der Planungszellen.36 Es sieht eine Zusammenarbeit zwischen politischer Ebene, Experten und Betroffenen vor, das zugleich durch die Staffelung von Kompetenzen gegen basisdemokratische ?berforderung der Bürger und L?hmung politischer Handlungsf?higkeit gesichert ist. Konzepte dieser Art k?nnten mithin durch Dezentralisierung, Regionalisierung sowie gestaffelte Partizipation der Realisierung von Solidarit?t zuarbeiten, einer Solidarit?t, die sich differenziert "von unten" her entfalten kann. Damit w?re zugleich der von der christlichen Sozialethik vorgenommenen Zuordnung des Solidarit?ts- und des Subsidiarit?tsprinzips entsprochen: Gem?? dieser hat die kleinere Einheit so lange das Vorrecht bei der Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, wie sie sich als erfolgreicher erweist als eine gr??ere Einheit.

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Wie damit jedoch nicht einer basisdemokratischen Aufl?sung der repr?sentativen Demokratie das Wort geredet sein soll, richtet sich dieses Konzept auch nicht gegen spontane Solidarbewegungen, die sich an einer Sache entzünden. Die ?kologische Bewegung hat gezeigt, da? dies den Gesellschaftsproze? voranbringen kann und mitunter k?mpferische Solidarit?t n?tig ist. Sie mu? sich jedoch an ihrer Konstruktivit?t ausweisen k?nnen. Schlie?lich beabsichtigt die Befürwortung einer differenzierten und diversifizierten Solidarit?t ebensowenig die Aufl?sung der systemischen Solidarformen wie der sozialen Sicherungssysteme. Von der Zuordnung des Solidarit?ts- und des Subsidiarit?tsprinzips her ist diese weiterhin gefordert. Das skizzierte Konzept erlaubt es jedoch, gesellschaftliche Solidarit?t freiheitlich zu denken und dennoch der eingangs erw?hnten Klage über soziale K?lte entgegenzutreten. Mit dem Kommunitarismus allein hingegen scheint mir die Solidarit?tsfrage nicht zufriedenstellend l?sbar zu sein.

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c 1998 Thomas Hausmanninger und Theologie der Gegenwart

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1 Vgl. etwa: Stolz auf das eigene Leben, in: Der Spiegel 27/1995, 40-52.

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2 Vgl. aus der Literaturflut zum Thema etwa:
??- A. Honneth (Hg.), Kommunitarismus. Eine Debatte über die moralischen Grundlagen moderner Gesellschaften, Frankfurt/M. 1993
??- M. Brumlik, H. Brunkhorst (Hg.), Gemeinschaft und Gerechtigkeit, Frankfurt/M. 1993
??- C. Zahlmann (Hg.), Kommunitarismus in der Diskussion. Eine streitbare Einführung, Berlin 1994
??- W. Reese-Sch?fer, Was ist Kommunitarismus?, Frankfurt/M. 1994
??- ders., Grenzg?tter der Moral. Der neuere europ?isch-amerikanische Diskurs zur politischen Ethik, Frankfurt/M. 1997.

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3 Vgl. J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt/M. 1975
??Ders., Gerechtigkeit als Fairness, München 1977
??Ders., Political Liberalism, New York 1993
??Ders., Die Idee des politischen Liberalismus. Aufs?tze 1978-1989, Frankfurt/M. 1994.

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4 Am deutlichsten bei A. MacIntyre, After Virtue, London 21982
??- A. MacIntyre, S. Hauerwas (Hg.), Changing Perspectives in Moral Philosophy (Revisions 3), Notre Dame-London 1983
??- Ders., Whose Justice? Which Rationality?, London 1988
??- Ders., Three Rival Versions of Moral Enquiry. Encyclopaedia, Genealogy and Tradition, Notre Dame/Indiana 1990
??- zu MacIntyre vgl. auch: J. Horton, S. Mendus (Hg.), After MacIntyre. Critical Perspectives on the Work of Alasair MacIntyre, Cambridge 1994.

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5 Vgl. Rawls, Gerechtigkeit 81.

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6 Vgl. Rawls, Gerechtigkeit 81.

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7 M. Sandel, Liberalism and the Limits of Justice, Cambridge 1982.

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8 Vgl. etwa: Rawls, Gerechtigkeit 36: "Man darf sich also durch die etwas ungew?hnlichen Bedingungen, die den Urzustand [in dem das ?ungebundene Selbst? gesetzgebend auftritt, T.H.] kennzeichnen, nicht irreführen lassen. Der Gedanke ist einfach der, uns die Einschr?nkungen lebhaft vor Augen zu führen, die für die Argumentation über Gerechtigkeitsgrunds?tze und damit für diese selbst als vernünftig erscheinen."

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9 Vgl. Ch. Taylor, Negative Freiheit? Zur Kritik des neuzeitlichen Individualismus, Frankfurt/M. 1992.

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10 Vgl. ebd. 118-144.

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11 Vgl. M. Sandel, The Procedural Republic and the Unencumbered Self, in: Political Theory 12:1, 18-35.

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12 Dieses liberalistische Ethos und das gleichzeitige Leiden daran ist zentrales Thema der streitbaren Studie von R. Bellah u.a., Gewohnheiten des Herzens. Individualismus und Gemeinsinn in der amerikanischen Gesellschaft, K?ln 1987, etwa 46.

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13 Vgl. A. MacIntyre, Ist Patriotismus eine Tugend?, in: Honneth, Kommunitarismus, 84-102.

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14 Vgl. R. Forst, Kommunitarismus und Liberalismus - Stationen einer Debatte, in: Honneth, Kommunitarismus, 181-212, hier 197
- Ders., Kontexte der Gerechtigkeit. Politische Philosophie jenseits von Liberalismus und Kommunitarismus, Frankfurt/M. 1994, 161-177
- S. Benhabib, Autonomy, Modernity and Community. Communitarianism and Critical Social Theory in Dialogue, in: A. Honneth u.a. (Hg.), Zwischenbetrachtungen im Proze? der Aufkl?rung, Frankfurt/M. 1989, 383.

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15 gl. Bellah, Gewohnheiten; B. Barber, Strong Democracy. Participatory Politics for a New Age, Berkley u.a. 1984.

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16 Vgl. etwa: Taylor, Freiheit 150.

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17 Vgl. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Heuristik, Tübingen 1990, 281-290.

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18 Vgl. Taylor, Freiheit 9-51, wo Taylor seine Theorie des zwar situierten, jedoch wertenden (also reflexiven) Subjekts entwickelt.

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19 Vgl. ebd. 150.

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20 Vgl. MacIntyre, Rationality 396, 400 u.a.

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21 Vgl. MacIntyre, Patriotismus 93.

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22 Vgl. ebd.; Ch. Taylor, Wieviel Gemeinschaft braucht die Demokratie?, in: Transit 5/1992/93, 5-21, hier 9.

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23 Vgl. etwa: Bellah, Gewohnheiten 63.

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24 Vgl. Barber, Democracy, bes. 219 (Tabelle mit Partizipationsformen).

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25 Dies war ein zentraler Punkt auch bereits der deutschen Hermeneutikdebatte (vgl. dazu: J. Habermas (Hg.), Hermeneutik und Ideologiekritik, Frankfurt/M. 1977), in der einige nun unter dem Signum der Kommunitarismusdebatte erneut aufgeworfene Streitpunkte im Grunde bereits l?ngst gekl?rt worden sind. - Zur kommunitaristischen Antwort auf den Einwand der Kritikm?glichkeiten vgl. insbesondere das Konzept des "internen Kritikers" bei M. Walzer, Kritik und Gemeinsinn. Drei Wege der Gesellschaftskritik, Frankfurt/M. 1993; ders., Zweifel und Einmischung. Gesellschaftskritik im 20. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1988.

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26 Vgl. MacIntyre, Patriotismus 96-97.

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27 Vgl. Ch. Taylor, Sources of the Self. The Making of Modern Identity, Cambridge 1989.

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28 Vgl. I. Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der blo?en Vernunft, in: Werkausgabe VIII (ed. Weischedel), Frankfurt 1978, 645-879, hier 757-759 [A 129-132, B 137-140].

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29 Vgl. STh I-II 91,2.

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30 Vgl. dazu: W. Korff, Norm und Sittlichkeit, Mainz 1973, 42-61.

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31 Hieraus ergibt sich eine Zweistufigkeit der Argumentation der christlichen Sozialethik. Vgl. dazu: Th. Hausmanninger, Sozialethik als Strukturenethik, in: H.-J. H?hn (Hg.), Christliche Sozialethik interdisziplin?r, Paderborn 1997, 59-88, hier 73-79.

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32 Vgl. dazu genauer: Th. Hausmanninger, Die Krise der Moderne im Licht einer christlichen Sozialethik, in: A. Holderegger (Hg.), Fundamente der theologischen Ethik, Freiburg u.a. 1997, 362-384, hier 376-384; ders., Strukturenethik 77-78.

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33 Vgl. A. Baumgartner, W. Korff, Das Prinzip Solidarit?t, in: StdZ 4/1990, 237-250.

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34 Vgl. Bellah, Gewohnheiten.

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35 Vgl. Für eine Zukunft in Solidarit?t und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland 1997, 156-160. Das Wort spricht geradezu von "Potentiale[n] einer erneuerten Sozialkultur" (160) und wehrt sich gegen die verkürzende Diagnose einer "Entsolidarisierung" (158). Gerade Bürgerinitiativen und soziale Bewegungen werden dabei als positive Beispiele genannt.

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36 Vgl. P.C. Dienel, Die Planungszelle. Eine Alternative zur Establishment-Demokratie, Opladen 1978.

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