Vortragsreihe: Fachdidaktik DaF und Fachdidaktik DaZ
Standortbestimmungen, Bewegungen und Horizonte
Die akademischen Disziplinen Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache, die sich als sogenannte Kinder der Praxis immer wieder auch in Bezug auf ihre eigenen normativen Grundlagen befragen, haben sich fest im Kanon der akademischen Disziplinen zwischen Fremdsprachendidaktik, Zweitsprachforschung, Germanistik, P?dagogik und zunehmend auch der Bildungs- sowie Lehrkr?fteforschung etabliert. In den immer noch kleinen F?chern DaF und DaZ stehen Fragen des Deutschlernens mit mehrsprachigen Lernenden jeden Alters, jeden sozio?konomischen Hintergrundes, aus den verschiedensten L?ndern und mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen weltweit im Zentrum. Diese werden von bildungspolitischen Debatten beeinflusst, von migrationsp?dagogischer Kritik flankiert oder vom Diskurs um mehrsprachige Bildungsbeteiligung, Digitalisierung und gesellschaftliche Teilhabe mitbestimmt. Die wissenschaftliche Fachdidaktik Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache steht so vor der nicht geringen Herausforderung, eine interdisziplin?re Theoriebildung in Verbindung mit aktueller internationaler fremd- und zweitsprachdidaktischer Forschung für konkrete Bedarfe und Bedürfnisse einer gesellschaftlich hoch relevanten Praxis voranzubringen.
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Bei der Vortragsreihe Fachdidaktik in Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache – Standortbestimmungen, Bewegungen und Horizonte, die im Wintersemester 2021/2022 sowie im Sommersemester 2022 an der Universit?t Augsburg stattfand, standen aktuelle wissenschaftliche Positionen einer engagierten Fachdidaktik DaF und DaZ im Fokus. Die Positionierungen und anschlie?enden Diskussionen haben den Diskurs um den Stellenwert einer wissenschaftlichen Fachdidaktik in unseren F?chern bereichert, nach aktuellen Standorten und Bewegungen gefragt und zukünftige Horizonte aufgezeigt.
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Viele der Vortr?ge wurden aufgezeichnet und stehen auf dem YouTube-Kanal der Universit?t Augsburg in einer Playlist zur Verfügung. Die Links finden Sie in den Vortragsbeschreibungen oder hier.
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Vortr?ge im Wintersemester 2021/22 (hybrid)
Eine ?bersicht des Programms im Wintersemester 2021/2022 finden Sie hier .
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Karen Schramm, Universit?t Wien, 18.15 Uhr, digitale Durchführung via Zoom
Extensives?Lesen?im?DaF-Unterricht
Unter extensivem Lesen werden Programme verstanden, bei denen Lerner*innen fremdsprachliche Texte nach Interesse und Sprachniveau individuell ausw?hlen und im Unterricht mindestens zweimal pro Woche für 20 Minuten still lesen. Trotz ermutigender empirischer Befunde in englischdidaktischen Studien findet das extensive Lesen im DaF-Unterricht bisher nur wenig Berücksichtigung. Dies war Anlass, ein entsprechendes Programm zum extensiven Lesen an Schulen in drei europ?ischen L?ndern in der 10. Jahrgangsstufe zu erproben und diese Erprobung empirisch zu begleiten. In meinem Vortrag m?chte ich von den Erfahrungen berichten, die neun erfahrene und neun angehende DaF-Lehrpersonen in gemeinsamen videobasierten Reflexionsgespr?chen thematisiert haben, und aufzeigen, welche Vorgehensweisen sie in der kollegialen Zusammenarbeit entwickelt haben.
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Literatur:
- Abitzsch, Doris / van der Knaap, Ewout / Abbate, Roberta / Dawidowicz, Marta / Feld-Knapp, Ilona / Hoffmann, Sabine / Perge, Gabriela / Schramm, Karen (2019): Freies Lesen im LEELU-LehrerInnenbildungsprojekt. Vom Forschungsstand zu einer Handreichung für den Unterricht. Online: https://leelu.eu/wp-content/uploads/sites/164/2019/08/Konzeptpapier-zum-Freien-Lesen-im-LEELU-Projekt-Endfassung-2019.pdf
- Hoffmann, Sabine (2019): Beratung beim Extensiven Lesen im DaF-Unterricht. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 2/2019, 427-457. Online: https://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/download/983/981.
- Jeon, Eun-Young / Day, Richard (2016): The effectiveness of ER on reading proficiency. A meta-analysis. In: Reading in a Foreign Language, 28.2, 246-265. Online: http://www.nflrc.hawaii.edu/rfl/October2016/articles/jeon.pdf.
Julia Ricart Brede, Universit?t Passau, 18.15 Uhr, Kurzfristige ?nderung: Der Vortrag findet online statt.
Deutsch als Zweitsprache: aktueller denn je? ? ? ??
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Kathrin Siebold, Philipps-Universit?t Marburg, 18.15 Uhr, hybride Veranstaltung (vor Ort und Zoom)
Videobasierte Fallarbeit zur F?rderung?unterrichtlicher Interaktionskompetenz
Unterrichtliche Interaktion und insbesondere lernerseitige Partizipation gelten in der fremdsprachendidaktischen Forschung als zentrale erwerbsf?rderliche Prozesse. Um Lehr- und Lernprozesse kommunikativ kompetent zu gestalten, bedarf es seitens der Lehrenden gut ausgebildeter interaktionaler Kompetenzen hinsichtlich zentraler sprachlicher Lehrhandlungen wie beispielsweise Feedback geben, Fehler korrigieren, Arbeitsanweisungen erteilen oder Verst?ndnis sichern. Diese k?nnen in lehrerbildenden Studieng?ngen durch verschiedene didaktisch-methodische Herangehensweisen systematisch geschult werden, u.a. durch videobasierte Kasuistik, in der unterrichtliche Interaktion anhand spezifischer Fallbeispiele differenziert beschrieben und kritisch analysiert wird (vgl. Schramm; Bechtel 2019, Elsner et al. 2020, Syring 2021). ?
Im Vortrag sollen erste Ergebnisse einer Forschungsstudie vorgestellt werden, in der die Wirksamkeit videobasierter Fallarbeit im Rahmen eines Didaktik-Seminars zur Unterrichtsinteraktion untersucht wurde. Das Seminar fand im vergangenen Sommersemester 2021 im MA-Studiengang Deutsch als Fremdsprache an der Philipps-Universit?t Marburg statt und wurde online durchgeführt. Als Grundlage für die Datenauswertung wurden transkribierte Mitschnitte der Fallanalysen, Ergebnisberichte und Lerntagebücher der Studierenden herangezogen.
Wenngleich das Lernformat der Fallarbeit auch Schwierigkeiten auf verschiedenen Ebenen mit sich bringt, zeigt sich unter den angehenden DaFZ-Lehrkr?ften ein deutlicher Kompetenzzuwachs in der professionellen Wahrnehmung von Unterrichtsinteraktion, insbesondere bezüglich des Wirkungspotenzials unterschiedlicher Semantisierungsverfahren, Lehrendenfragen, Folgeturns und (pseudo)verst?ndnissichernder Sprechhandlungen.
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Literatur:
- Bechtel, Markus; Schramm, Karen (2019) (eds.): Videobasierte Lehre in der Fremdsprachendidaktik. Themenschwerpunkt FLUL (Fremdsprachen Lehren und Lernen) 48 (1).
- Elsner, Daniela; Kreft, Annika; Niesen, Heike; Viebrock, Britta (2020): Unterrichtsvideos als Reflexionsanl?sse im Englischlehramtsstudium. Verbindung von Theorie und Praxis am Beispiel der Heterogenit?tsdimensionen Mehrsprachigkeit und Transkulturalit?t. HLZ (Herausforderung Lehrer*innenbildung. Zeitschrift zur Konzeption, Gestaltung und Diskussion) 3(2), 279–299.
- Siebold, Kathrin; Glosemeyer, Quentin; Xu, Hang (2021): Pseudoverst?ndnissicherung. ZIAF (Zeitschrift für Interaktionsforschung in DaFZ) 1 (i.Dr.).
- Syring, Marcus (2021): Videobasierte Kasuistik in der Lehre. In: Wittek, Doris; Rabe, Thorid; Ritter, Michael (eds.): Kasuistik in Forschung und Lehre. Erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Ordnungsversuche. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 230-244.
Inci Dirim, Universit?t Wien, 18.15 Uhr, Kurzfristige ?nderung: Der Vortrag findet online statt.
Rassismuskritische Perspektiven im Bereich Deutsch als Zweitsprache
Obwohl der Kolonialismus schon lange vorbei ist, ist der Rassismus noch nicht überwunden. Der rassismuskritischen Perspektive geht es in dieser Lage nicht so sehr darum, Schuldige auszumachen, sondern eher darum, zu verstehen, wie die gesellschaftlichen Diskurse das Entstehen des Rassismus erm?glichen (Stichwort: ?Rassismus als gesellschaftliches Verh?ltnis“). Nach der vor allem von Paul Mecheril und Claus Melter (u.a. 2010) entwickelten rassismuskritischen Perspektive durchdringen koloniale Denkweisen nach wie vor die Gesellschaft und sind zum Teil subtil, also schwer zu erkennen, weshalb die Gefahr besteht, dass auch von Personen Rassismus ausgehen kann, die nicht rassistisch sein m?chten. Daraus ergibt sich eine Aufgabe der Selbstreflexion für das Feld ?Deutsch als Zweitsprache“, das stark in gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen über Migration eingebunden ist. Es ist m?glich, selbstreflexiv zu untersuchen, inwiefern in Begriffen, Konzepten, Materialien und Forschungsans?tzen koloniale Denkweisen ?versteckt“ sein k?nnten und darüber nachzudenken, wie es gelingen k?nnte, sich im professionellen Handeln nicht vom Rassismus verleiten zu lassen.? Der Vortrag führt in die Rassismuskritik begrifflich und konzeptionell ein und stellt im Sinne einer ?Querschnittsau