Exkursion nach ?viv und Tscherniwzi
Lemberg und Czernowitz: Multikulturelle St?dte im Osten Europas
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Reisebericht von Andrii Rymlianski
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Lemberg und Czernowitz waren einst die Hauptst?dte der ?stlichsten und am st?rksten multiethnisch gepr?gten Kronl?nder der Habsburger Monarchie. Ukrainer/Ruthenen, Polen, Rum?nen, Deutsche und Juden sowie weitere Ethnien lebten dort bis zum Zusammenbruch der Monarchie zusammen. Im ?Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawm) ver?nderte sich der Charakter der St?dte deutlich: Zwangsumsiedlungen und Holocaust ver?nderten die Bev?lkerungsstruktur. Die zahlreichen Grenzverschiebungen führten schlie?lich dazu, dass die architekturhistorisch imposanten St?dte heute Teil der Ukraine (im westlichen Teil) sind und den Namen ?viv bzw. ?ernivci tragen.
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Lemberg - L'viv – kulturelle Hauptstadt der Ukraine?
Nach der Ankunft in L'viv und dem Bezug unseres Hostels im Herzen der Hauptstadt von Galizien (n?he vom Marktplatz – Ploshcha Rynok) machten wir uns auf den Weg durch die abwechslungsreiche Geschichte der Stadt.
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Schon am ersten Tag unserer Ukrainereise begann ein Regen einzusetzen, der uns die folgenden drei Tage begleiten sollte. Aber blaue Regenm?ntel am Tage und gemütliche authentisch-galizisch eingerichtete Lokale in der Nacht haben uns vor den schlechten Wetterbedingungen gerettet.
Am ersten Tag besuchten wir das vor einigen Jahren er?ffnete Museum des Nationalfreiheitskampfes des ukrainischen Volkes, wo wir uns unmittelbar mit der Geschichte und dem Leben der ukrainischen Freiheitsbewegungen im 20. Jahrhundert auseinandersetzten. Zahlreiche Vereine (?Sichovi stril'zi", ?Plast" und andere) pflegten anf?nglich Kultur, Sprache und Traditionen der Ukrainer im Kronland Galizien. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden sie teilweise in paramilit?rische Formationen umgestaltet und deren junge Anh?nger konsequent in der Habsburger Armee milit?risch ausgebildet. W?hrend der Zwischenkriegszeit des Zweiten Weltkrieges und der sowjetischen Zeit bildete sich hier ein m?chtiges politisch-milit?risches Lager der ukrainischen Nationalisten (OUN und UPA) heraus, das sich als letzte Bastion im Kampf für den Ukrainischen Staat zuerst gegen Polen, dann gegen Nationalsozialisten und Sowjets sah. Trotz der gro?en Verehrung ukrainischer Nationalisten und deren Anführer (S. Bandera, J. Konowaletz) in der Westukraine werden sie in der russisch-sowjetischen Historiographie als Nazi-Kollaborateure und Verr?ter bezeichnet. Heutzutage findet der Heroisierungsmythos ?L'viv als Zentrum des ukrainischen Widerstandes" seine Widerspiegelung teilweise in der Freizeitkultur (Kneipen: ?Kryivka", ?Pravyi Sektor“) und Selbstreflexion der L'viver.
Am zweiten Tag erlebten wir zusammen mit Nataliya Mysak vom Center for Urban History das ?Sozialistische L'viv", indem wir die Spuren der sowjetisch-kommunistischen Architektur und Urbanisierung der neu entstandenen Viertel aus der Nachkriegszeit entdeckten.
Am Nachmittag war das ?NKWD-Museum" die n?chste Station. Das ehemalige Gef?ngnis ?Tjurma na Lonz'koho" wurde lange Zeit w?hrend des 20. Jahrhunderts für Verh?re und Folter der ukrainischen Nationalisten von Polen und dann sp?ter von der sowjetischen NKWD-Polizei genutzt.
Am letzten Tag in L‘viv begaben wir uns mit Sasha Nazar von der ?All-Ukrainian Jewish Charitable Foundation Hesed-Arieh“ auf die Spuren des Erbes des galizischen Judentums? (Jüdisches Viertel, Gedenkst?tte an die im Zweiten Weltkrieg ermordeten Juden, Synagoge. Im Anschluss wurden wir vom Sashas Gro?vater, Boris Dorfman, empfangen, der heutzutage als der letzte Jiddischsprechende in L‘viv gilt. Am Nachmittag besuchten wir den Lytchakivskiy-Friedhof.
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Czernowitz – ?eine untergegangene Kulturmetropole“?
Nach einer circa vierstündigen Zugreise, w?hrend der wir regelm??ig von unserem Schaffner mit dem traditionellen ?Zugtee“ (ukrainisch: tschai v potjazi) versorgt wurden, kamen wir am vierten Tag am Czernowitzer Bahnhof an. Gleich am Nachmittag fand der offizielle Akt der Er?ffnung von ?Majsternja Mista“ statt, wo wir von den Veranstaltern zur Pr?sentation und Diskussion eingeladen und vom Bürgermeister, Oleksiy Kaspruk, empfangen wurden. Bei ?Majsternja Mista“ handelt es sich um ein integriertes Stadtentwicklungskonzept, das von GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und einem Architekturbüro (Rudolf Gr?f) in Tscherniwzi unterstützt und entwickelt wird.
Am 7. September startete ebenfalls das j?hrlich stattfindende Lyrik- und Poesiefestival ?Meridian-Czernowitz“, das in der Stadt traditionell internationale Schriftsteller und Kunstliebhaber vereint. Einige aus unserer Gruppe nutzten die Gelegenheit und besuchten die Veranstaltung ?Preisgekr?nte Kurzfilme vom Internationalen ZEBRA Poetry Film Festival Berlin" und das Konzert jüdischer Musik unter Leitung von Lew Feldman.
Am n?chsten Tag zeigte uns Nataliya Masijan vom Czernowitzer Stadtarchiv aus der ?sterreichischen und rum?nischen Zeit historische Karten und Briefe der internierten bukowinischen Juden in Transnistrien.
Das Czernowitzer Kunstmuseum er?ffnete seine exklusiven Best?nde mit kunstvoll gefertigten Holzschnitten, Ikonen und Gem?lden lokaler Künstler und Maler. Gleich am Nachmittag hatten wir die Gelegenheit, mit den Czernowitzer Studenten und Dozierenden (Frau Dr. Hanna Skoreiko) an der Fakult?t für ukrainische und bukowinische Geschichte gemeinsame Erfahrungen über den heutigen Studienablauf und aktuelle Probleme in der ukrainischen beziehungsweise postsowjetischen Historiographie auszutauschen.
?ber das literarische Czernowitz berichtete am Nachmittag Olha Kravchuk vom Zentrum ?Gedankendach“. In Czernowitz blühte früher das kulturelle und literarische Leben, das zuerst vom Ersten Weltkrieg, dann von der rum?nischen Zeit (Zwischenkriegszeit) und letztendlich vom Zweiten Weltkrieg endgültig unterbrochen worden war. Für die meisten jüdisch st?mmigen, deutschsprachigen Schriftsteller und Schriftstellerinnen stellte diese schwierige Zeit fatale Herausforderungen. Am bedeutendsten waren hierbei Paul Celan, Rose Ausl?nder, Itzik Manger, Selma Meerbaum-Eisinger und viele andere.
Herr Dr. Serhij Osachuk, Honorarkonsul der Republik ?sterreichs in Tscherniwzi, brachte uns die Geschichte und Alltagsleben der Bukowina-Deutschen nahe, die ab Ende des 18. Jahrhunderts wohl die wichtigste Rolle in den politischen und wirtschaftlichen Bereichen des Kronlands Bukowina gespielt hatten. Am gleichen Tag lie?en wir uns von der architektonischen Sch?nheit der Stadt Czernowitz – der 1882 von Josef Hlavka projektierten und erbauten ehemaligen Residenz der griechisch-orthodoxen Metropoliten der Bukowina und Dalmatiens - bezaubern. Das Residenzensemble weist sowohl den eklektischen, als auch den byzantinischen und romanischen Baustiel auf und wirkt somit als eine meisterhafte Synergie architektonischer Stilrichtungen. Seit 1950 werden die Geb?ude als zentraler Campus und Verwaltungssitz der Jurij-Fedkovych-Nationaluniversit?t genutzt und seit 2013 geh?rt das Residenzensemble zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Am letzten Tag besuchten wir das jüdische Volkshaus, in dem auch das Museum für jüdische Geschichte und Kultur der Bukowina untergebracht ist. Der Leiter des Museums, Herr Dr. Mykola Kuschnir, zeigte uns im Anschluss daran das jüdische Viertel und Ghetto, den jüdischen Friedhof und die neue Synagoge mit Restaurant in Czernowitz, wo wir koschere K?stlichkeiten zu Mittag essen konnten. Abschlie?end fuhren wir nach Sadagura (einer Vorstadt von Tscherniwzi), das früher als gro?es Zentrum des Chassidismus galt. Heute ist dort aber nur doch eine Synagoge erhalten geblieben.
Nach sieben eindrucksvollen und ereignisreichen Tagen unserer Reise durch Galizien und die Bukowina“ kamen wir mit neuen spannenden Erfahrungen und Erinnerungen heim. So er?ffnete die Westukraine ihre bewegte Vergangenheit und lebhafte Gegenwart für uns.